"Eine Bibliothek ist ein Ort für alle"

1. März 2023
Franziska Tschumi leitet die Bibliothek in Herisau, die von der Gemeinde jährlich finanziell unterstützt wird. Sie erzählt, wie sich die Lesegewohnheiten verändert haben und weshalb die Welt der Bücher mit keiner anderen zu vergleichen ist.

Die Bibliothek in Herisau liegt ein wenig versteckt hinter dem Casino. Wenn die Türen des unscheinbaren Gebäudes hinter einem zufallen, verstummen die Geräusche der belebten und viel befahrenen Poststrasse. Die Regale auf dem roten Fussboden stehen weit genug auseinander, um Platz und Raum für die Welten zu schaffen, die sich beim Lesen der Bücher ausbreiten. «Die meisten Menschen wollen ein Buch nach wie vor in den Händen halten und nicht einfach einen Bildschirm voller Sätze lesen», erklärt Franziska Tschumi, Leiterin der Bibliothek. «Ein Buch lebt von seinem Cover, dem Geruch des Papiers und dem Rascheln der Seiten.» 

Was romantisch klingt, ist in einer Welt, die sich schnell weiterentwickelt und immer mehr im digitalen Raum abspielt, keine Selbstverständlichkeit. «Natürlich vernehmen auch wir, dass sich die Gewohnheiten der Menschheit verändern», sagt Tschumi. Sie spricht das Streamen von Musik und Serien an, das CD und DVD aus den Regalen vertreibt. Und sie denkt an die jüngeren Generationen, die in den Klassenzimmern immer häufiger auf Tablets arbeiten und lesen. «Und dennoch sind die gedruckten Bücher nach wie vor das, was wir am meisten verleihen. Vielleicht ist die Welt der Bücher eine Gegenbewegung zur Digitalisierung.» 

Eine Nacht in der Bibliothek
Obwohl sich gedruckte Bücher nach wie vor grosser Beliebtheit erfreuen, muss sich auch die Bibliothek in Herisau den Bedürfnissen der Zeit anpassen. «Um zu überleben, reicht es heute nicht mehr, einfach nur Bücher in die Regale zu stellen», so Tschumi. Auch hin und wieder eine Lesung zu organisieren, werde den heutigen Ansprüchen nicht gerecht. «Herisau hat eine so breite Auswahl an kulturellen Anlässen, dass wir nur eine weitere Veranstaltung auf der Agenda wären.» Um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu erhaschen, seien Ideen und Kreativität gefragt. «Wir veranstalten beispielsweise Bibliotheknächte, in denen Kinder vor Ort übernachten. Oder bieten Erwachsenen die Möglichkeit, unsere Räumlichkeiten als geschlossene Gesellschaft zu nutzen. Wir wollen gezielt Erlebnisse bieten, die es nicht überall gibt.»

Was sich ebenfalls verändert, sind die Themen, über die sich die Kundschaft der Bibliothek informieren will. «Themen wie Ökologie oder Nachhaltigkeit sind in den letzten Monaten beliebter geworden. Und wir vernehmen ein steigendes Interesse an Outdoor-Aktivitäten wie Camping. Wir bekommen die aktuellen Strömungen in der Gesellschaft also hautnah mit», so Franziska Tschumi. Auf diese sich immer wieder verändernde Nachfrage reagiere man, indem die Auswahl der Bücher angepasst werde.

Traumberuf Buchhändlerin
Vor ihrem Engagement in Herisau war Franziska Tschumi über 30 Jahre lang im Buchhandel tätig. «Das war schon als Kind mein Traumberuf, aber er hat sich so stark verändert, dass ich irgendwann eine Veränderung wollte.» Diese Veränderung führte sie in die Bibliothek nach Herisau. «Hier hat einfach alles für mich gepasst. Und ich habe genügend Freiheiten, um auf Veränderungen zu reagieren und ein optimales Angebot zusammenzustellen.»

Die Welt der Bücher bezeichnet sie als eine, die niemals stillsteht. «Die Mode wiederholt sich irgendwann, und auch die Wirtschaft bewegt sich in immer gleichen Mustern. Das gibt es in der Literatur nicht. Es geht immer vorwärts, der Inhalt wechselt ständig und es entsteht stets Neues.» Die Bücher böten der Menschheit eine schier unendliche Menge an Themen, Formaten und Geschichten. «Deshalb ist eine Bibliothek oder eine Buchhandlung ein Ort für alle – weil hier jeder genau das findet, was ihm gefällt.»

www.biblioherisau.ch

In der Bibliothek gibt es nebst Büchern auch Spiele oder Hörbücher.
In der Bibliothek gibt es nebst Büchern auch Spiele oder Hörbücher.

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