Dorfkirche: Mit Umsicht zurück zum Ursprünglichen

16. März 2022
Publireportage zur Innenrenovation, Umgestaltung und Erweiterung der Dorfkirche Herisau

Am Schluss erkenne man gar nicht, was neu sei, murmelt einer, der den Holzbänken den letzten Schliff verleiht. Was viele Architekten als Beleidigung empfinden würden, ist für die mit der Sanierung betrauten Eva Keller und Peter Hubacher ein Kompliment. Was jetzt so natürlich daherkommt, brachte eine Menge Arbeit mit sich und erforderte Demut und Neugierde. Einem Spagat gleich galt es, die historische Bausubstanz zu schützen, zu restaurieren oder zu rekonstruieren und zusätzlich einen dicken Katalog heutiger Anforderungen, vom Brandschutz bis zur Barrierefreiheit, zu integrieren. Für alle Projektbeteiligten war es wichtig, dass die Kirche in ihrer Charakteristik gestärkt wird und wieder grosszügiger wirkt. "Hier galt es, sorgsam mit den finanziellen Mitteln umzugehen und abzuwägen, mit welchen Massnahmen der Innenraum würdevoll gestaltet werden kann", sagt Gemeindebaumeister Andreas Filosi. Zum Tag der offenen Tür am 26. März ist die Öffentlichkeit eingeladen, Kirche und Nebengebäude selber in Augenschein zu nehmen. Am 27. März findet ein Festgottesdienst statt.

Termin- und budgetgerecht

Bis anhin waren Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit in der Kirche zu hoch, ebenso der Energieverbrauch. Durch das starke Heizen der Kirche lagerte sich Schmutz ab und die historischen Stuckaturen, entworfen im Spätbarock von Andreas Moosbrugger bei seiner Renovation 1782-83, begannen sich aufzulösen. Darum legte die Gemeinde 2007 die Leitplanken für das Sanierungsprojekt und die Erweiterung in einem Studienwettbewerb fest. Den Ausschlag für die Wahl des Siegerprojekts von Keller Hubacher gab ihr Ansatz, ein Nebengebäude auf der Kirchenmauer zu errichten, wo bereits bis 1960 ein Gebäude stand. Nach der Genehmigung durch den Einwohnerrat wurde die Sanierung und Erweiterung, eng begleitet vom Hochbauamt und mit aufmerksamem Blick auf die Kosten, termin- und budgetgerecht umgesetzt.

Vielfältige Kirche

Eines der Ziele der Sanierung war es, die Kirche auch in Zukunft vielfältig nutzen zu können. "Die frohe Botschaft des Evangeliums bleibt, die Verkündigungsformen passen sich der Zeit an und verändern sich", sagt Gerold Schurter, Vizepräsident der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde. So sind nun Teile der Ausstattung und selbst der Taufstein mobil und können über einen neu eingebauten Lift im ausgebauten Keller verschwinden, wenn Veranstaltungen mit Musik oder Projektionen auf dem Programm stehen. Dafür wurden raumakustische Verbesserungen in die Emporen integriert. Im Dachstuhl warten Seilzüge auf ihren Einsatz, damit die Leinwand oder beispielsweise Dekorationselemente aufgezogen werden können.

Solche technischen Anforderungen waren einfacher zu lösen als die Frage der Atmosphäre im Kirchenraum. «Wie bringen wir den barocken Zauber von Andreas Moosbruggers Stuck wieder zum Leuchten?», bringt es Eva Keller auf den Punkt. So haben die Architekten vor der Sanierung zahlreiche Bücher, historische Fotos und Postkarten studiert und sich intensiv mit Denkmalpfleger Fredi Altherr und der Gemeinde ausgetauscht, um sich dem historischen Original anzunähern. Sie liessen die Substanz untersuchen, um den ursprünglichen Farben auf die Spur zu kommen.

Blickregie von der Empore

Nun kommt die Kirche frisch und einladend daher. Es fällt mehr Tageslicht in den Raum, denn die Milchglasscheiben wurden entfernt, und das Holz von Balustrade und Säulen dunkel marmoriert. Harmonisch abgestimmtes Kunstlicht lässt den farbigen Stuck plastisch hervortreten. Erst auf den zweiten Blick wird augenscheinlich, dass die Empore neu verkleidet ist. Ihre Form ist rekonstruiert und nach moosbruggerschem Vorbild wie Taufstein und Kanzel in barocker Manier bemalt. Die Seitenempore wurde statisch ertüchtigt, die Stufen der Hauptempore wurden höher aufgebaut, damit man eine gute Sicht aufs Geschehen hat. Aus dem Sitzen fallen die in vier Feldern angeordneten Bänke kaum ins Auge. Sie entsprechen dem Zustand vor 1960.

Dezidiert neu ist jedoch der Eingang, nun grosszügig breit. Die Gestaltung des Windfangs lehnt sich an die Orgel auf der Empore an. Die Tür zur spätgotischen Anna-Kapelle wurde vom Künstler Markus Müller gestaltet. In Anlehnung an diese künstlerische Arbeit wurden die neuen Betonsäulen beim Haupteingang mit einem Farbverlauf bemalt. Der obere Bereich in schwarz steht in Verbindung zur dunklen Ausstattung der Kirche, das Betongrau darunter verbindet sich mit dem Teufner Sandstein am Boden.

Nebengebäude auf historischer Kirchenmauer

So zurückhaltend, ja unsichtbar die Sanierung im Kircheninneren, so unmissverständlich neu und zeichenhaft erscheint nun das Nebengebäude. Seine Form signalisiert: Es ist weder Kapelle noch Haus. «Es gleicht eher einem Partyzelt, das trotzig im Wind steht», meint Peter Hubacher verschmitzt. Das Zeltkleid nimmt Anleihe an einem textilen Gewand, ist jedoch aus Kupferschindeln wie der Kirchturm. Und im Inneren spannt sich das Dach wie ein Schirm über eine massive Mittelstütze und das radial angeordnete Gebälk. Die Raumschale in Holzschindeln leuchtet kupferfarben und verleiht dem neuen Gemeinschaftsraum eine festliche Ausstrahlung.

Das Kirchenpärkli wurde von den Landschaftsarchitekten von Kollektiv Nordost neugestaltet. Sie schufen einen einladenden Freiraum, der sich neu zum Platz hin öffnet. Dafür wurden einige Treppenstufen durch eine Rampe ersetzt und die Mauerkrone gestutzt. Das Pärkli bietet auch dem Soldatendenkmal einen würdigen Standort. Neu windet sich zudem eine runde Sitzbank um den stämmigen Ahorn. Von hier aus öffnet sich der Blick auf den Obstmarkt und in die Weite.

Einweihungsanlässe:

Folgende Stiftungen haben mit namhaften Beiträgen die Realisierung des Nebengebäudes sowie die Revision der Orgel unterstützt: Johannes Waldburger-Stiftung, Metrohm Stiftung, Steinegg Stiftung, Dr. Fred Styger Stiftung, Bertold Suhner-Stiftung, HUBER + SUHNER-Stiftung, Friedrich und Anita Frey-Bücheler-Stiftung, Appenzellische Winkelriedstiftung und Johannes und Hanna Baumann-Stiftung. Die Revision der Orgel wurde zudem dank grosszügiger Zuwendungen einer privaten Spenderin sowie des Vereins Dorfkirche ermöglicht. Die Renovation und Sanierung der Dorfkirche wurde auch durch das Bundesamt für Kultur und die Denkmalpflege des Kantons Appenzell Ausserrhoden unterstützt.

Der renovierte Innenraum (Bild: Jürg Zürcher)
Der renovierte Innenraum (Bild: Jürg Zürcher)