Budgeterstellung der Gemeinde: Ein Blick hinter die Kulissen

7. August 2024
Die Budgeterstellung ist ein vielschichtiger und zeitaufwändiger Prozess, der präzise Planung und Abstimmung erfordert. Mit dem Finanzreferendum, über dessen Einführung am 22. September abgestimmt wird, würde sich dieser Prozess bald deutlich verändern. Eine Gegenüberstellung.

1. Budgetkompetenz beim Einwohnerrat
Das Budget der Gemeinde erfüllt einen doppelten Zweck: Es dient einerseits der Planung der Aufgabenerfüllung für das kommende Jahr und legt andererseits die Finanzierung dieser Aufgaben fest. 

Ein halbes Jahr nachdem der Einwohnerrat im Dezember das Budget und den Steuerfuss verabschiedet hat, beginnt die Finanzverwaltung der Gemeinde Herisau mit der Planung für das Folgejahr. Dieser Prozess startet mit einer gründlichen Überprüfung der finanzpolitischen Ziele durch den Gemeinderat bis Anfang Juli. Daraus legt der Gemeinderat konkrete Zielvorgaben für die verschiedenen Ressorts fest. Diese Vorgaben werden, gemeinsam mit einer detaillierten Budgetanleitung, an die neun Abteilungsleiter weitergeleitet, welche 18 mitwirkende Bereichsleitende koordinieren. 

Innerhalb von zwei Monaten erstellen die Verantwortlichen ihre Investitions-, Personal-, Aufwands- und Ertragsplanung und leiten sie bis Ende August an den Abteilungsleiter Finanzen, Beat Germann, weiter. Mitte August erhält die Gemeinde Herisau zudem budgetrelevante Unterlagen des Kantons, wie beispielsweise Informationen zum durchschnittlichen Steuerwachstum der Gemeinde. «Mit diesen Informationen können wir das Budget genauer planen und erstellen», sagt Beat Germann. Aktuell erhält die Gemeinde Herisau diese Informationen rund eine Woche vor Budgetschluss in den Ressorts und kann sie entsprechend in den Prozess integrieren. Nach Erhalt aller Planungsunterlagen erstellt Beat Germann das gesamte Budget und übergibt diesen ersten Entwurf dem Gemeinderat zur ersten Lesung. Dieser Entwurf enthält zwar zahlreiche Details, darunter den Stellenplan aller Verwaltungsmitarbeitenden, einen mehrseitigen Investitionsplan sowie die Berechnung aller relevanten Kennzahlen, jedoch noch keinen Bericht. 

Nach der ersten Lesung hat der Gemeinderat die Möglichkeit, das Budget für Nachbesserungen zurückzuweisen. In diesem Fall wird es überarbeitet. Ansonsten wird im nächsten Schritt der Bericht zum Budget erstellt, an dem erneut alle Abteilungsleiter mitwirken. Bis Mitte Oktober muss das Geschäft dem Gemeinderat zur zweiten Lesung vorgelegt werden. Parallel dazu erhält auch die Finanzkommission das Budget sowie den Aufgaben- und Finanzplan zur Vororientierung. 

Auch in der zweiten Lesung Ende Oktober kann der Gemeinderat Überarbeitungen verlangen, ansonsten wird das Budget freigegeben. Anfang November wird es dann mit Bericht gedruckt und an den Einwohnerrat, den Gemeinderat sowie die Medien verschickt und im Internet veröffentlicht. In der Einwohnerratssitzung Anfang Dezember wird das Budget schliesslich behandelt, allenfalls zurückgewiesen oder verabschiedet. 

2. Budget mit fakultativem Referendum
Die Annahme des Finanzreferendums würde den Budgetprozess erheblich verändern und sowohl Herausforderungen als auch Risiken mit sich bringen. Die genaue Planung und die Fähigkeit, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren, sind entscheidend, um die finanzielle Stabilität und die Handlungsfähigkeit der Gemeinde zu gewährleisten. Unterläge das Budget dem fakultativen Referendum, würde sich vor allem der zeitliche Rahmen für die Erstellung des Voranschlags verändern, was sich auf die Detailtreue und Genauigkeit auswirken könnte. Bei der Annahme des Finanzreferendums müsste der Gemeinderat die finanzpolitischen Ziele bereits bis Mitte März definieren und festlegen. Dies ist eine erhebliche Vorverlagerung im Vergleich zum bisherigen Zeitplan. Die Abteilungs- und Bereichsleiterinnen und -leiter müssten ihre Investitions- und Personalplanung sowie die Erfolgsrechnungen der Ressorts bis Ende April einreichen. Ende Mai könnte dann der erste Budgetentwurf dem Gemeinderat zur ersten Lesung vorgelegt werden. Der restliche Prozess würde mit dem Unterschied von rund drei Monaten gleich folgen. 

Ein kritischer Punkt bleibt jedoch die Integration der budgetrelevanten Unterlagen des Kantons. Anders als die Budgeterstellung an sich kann die Bereitstellung der Unterlagen nicht nach vorne verschoben werden. Entsprechend müsste das Budget ohne die kantonalen Angaben erstellt werden. So wäre die Finanzverwaltung gezwungen, Annahmen zu den kantonalen Budgetinformationen zu treffen, was die Genauigkeit des Budgets beeinträchtigen würde. «Ein Budget ohne diese Parameter zu erstellen ist möglich, jedoch führt dies zu einem ungenaueren Haushaltsplan», so Germann. 

Eine alternative Möglichkeit wäre, den bisherigen Zeitplan trotz Finanzreferendum beizubehalten. Dies würde jedoch das Risiko bergen, im Falle eines fakultativen Referendums kein genehmigtes Budget für das Folgejahr zu haben. Aufgrund der Bearbeitung des Referendums – unter anderem die 30 Tage für das Stimmensammeln und die Prüfung der Unterschriften – könnte frühestens zwei Monate nach der Einwohnerratssitzung über das Budget abgestimmt werden. Gleichzeitig würde dies bedeuten, dass die Gemeinde im besten Fall drei Monate ohne Budget wäre. 

In dieser Zeit könnten für die ordentliche Verwaltungsführung unerlässliche Ausgaben weiter getätigt werden. Unerlässliche Ausgaben sind solche, die die Gemeinde gesetzlich oder vertraglich verpflichtend leisten muss. Allerdings dürften keine neuen Projekte, beispielsweise im Strassenbau, gestartet oder verzichtbare Ausgaben wie Winterskilager oder Sport- und Kulturanlässe finanziert werden. Sollte das fakultative Referendum ergriffen und das Budget abgelehnt werden, müsste dieses überarbeitet und wieder dem Parlament vorgelegt werden. Danach würde erneut die Referendumsfrist von 30 Tagen laufen. Würde das Referendum nochmals ergriffen werden, käme der Voranschlag frühstens im Mai zur erneuten Abstimmung vors Volk. Bis dahin müssten alle Ausgaben auf Unerlässlichkeit geprüft werden.

Weitere Informationen unter Herisau - Kommunale Volksinitiative "Finanzreferendum"; Abänderung der Gemeindeordnung (SRV 11) - 1. Lesung - Bericht und Antrag

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