«Sie sprechen nicht gerne über den Krieg»

7. Februar 2024

Im Februar 2022 begann Russland den Angriffskrieg gegen die
Ukraine. Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben.
Yvonne Varan von der Beratungsstelle für Flüchtlinge erzählt,
wie es den Ukrainern in der Gemeinde heute geht. 

Mit Kriegsbeginn in der Ukraine flüchteten vor allem Frauen und
Kinder aus ihrem Land, das von Russland völkerwiderrechtlich
angegriffen wurde. Sie suchten Schutz und verteilten sich über
ganz Europa – einige von ihnen kamen ins Appenzellerland. «In
den ersten acht Wochen nach den Angriffen nahmen wir rund 170
Personen in Herisau auf», erklärt Yvonne Varan, Bereichsleiterin
der Beratungsstelle für Flüchtlinge. «Die Fallzahlen im Jahr
2022 haben sich durch den Krieg verdreifacht.» Knapp zwei Jahre
später habe sich die Lage stabilisiert und sei überschaubar
geworden. «Wir erhalten nur noch wenige Neuzuweisungen aus
der Ukraine. Und jene, für die eine Rückkehr möglich war, sind
wieder zurück in ihre Heimat gegangen.»

Die Distanz schmerzt

Die Flüchtenden, die sich noch in Herisau aufhalten, haben sich
an das Leben hier gewöhnt. «Sie finden sich im Alltag zurecht
und haben gelernt, diese Situation zu akzeptieren – auch wenn
sie natürlich nicht glücklich damit sind», sagt Yvonne Varan. «Sie
sprechen nicht gerne über den Krieg. Die lange Dauer macht sie
müde, sie sind schon lange von ihren Angehörigen getrennt.»
Man höre immer wieder, dass sie zurückkehren wollten. Ausnahme
seien Familien mit jungen Kindern oder Jugendlichen. «Gerade
wenn die Kinder eingeschult sind oder sich die Möglichkeit
auf eine Ausbildung ergibt, kann das eine Chance sein.»
Für die Erwachsenen gestalte sich die Situation schwieriger. «In
ihrem Herkunftsland haben sie eine verwertbare Ausbildung und
Arbeit gehabt», so Varan. «In der Schweiz müssen sie nochmals
von vorne anfangen, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden
und die fehlenden Deutschkenntnisse eine Herausforderung
sind.» Das sei oft ein enttäuschender Prozess, denn viele Flüchtende
haben Arbeitsvorstellungen, die sich nicht realisieren liessen.
«Trotzdem finden immer mehr einen Job und werden wirtschaftlich
zumindest teilweise selbstständig.»

Enge Begleitung

Auch die Wohnsituation hat sich in den vergangenen Monaten
verbessert. Zwar leben noch immer einige Flüchtende bei
Gastfamilien, viele haben aber mittlerweile eine Asylwohnung
der Gemeinde bezogen oder eine eigene Wohnung gemietet.
«Letztlich befinden sich viele von ihnen in einer Zwickmühle»,
sagt die Bereichsleiterin. «Zum einen wollen sie sich integrieren,
zum anderen ist der Schutzstatus S auf Rückkehr ausgelegt. Die
Ukrainerinnen und Ukrainer wissen nicht, ob sie aufgrund der
befristeten Aufenthaltsgenehmigung eine echte Perspektive
haben.» Die Beratungsstelle für Flüchtlinge musste ihre Stellenprozente
wegen des Kriegs aufstocken. «Dadurch konnten wir
eine individuelle Begleitung der Flüchtlinge sicherstellen und
schauen, was sie ausbildungsmässig mitbringen, wie es ihnen
gesundheitlich geht und wie wir sie sozial integrieren können»,
erklärt Yvonne Varan. Dabei sei es normal, die Höhen und Tiefen
eines Integrationsprozesses zu erleben. «Aber nun sind die Anfangsschwierigkeiten
überstanden und wir sind nahe an ihnen
dran, um sie auf ihrem Weg weiterhin zu unterstützen.»
 

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